Bruckhausen ist ein Stadtteil im Norden Duisburgs in so genannter „Industrienahtlage“ – eine gründerzeitliche Enklave zwischen Autobahnen und Thyssen-Stahlwerk, dem größten seiner Art in Europa, an das der Stadtteil dicht herangebaut ist. Wenn in den letzten 30 Jahren Bilder zum unvermittelten Nebeneinander von Industrie und Wohnen im Ruhrgebiet oder ganz allgemein gebraucht wurden, war Bruckhausen als Motiv stets erste Wahl. Hier ließ sich das Ruhrgebiet in einem Bild erzählen – in seiner ganzen epischen Breite, mit seinen Kontrasten, seinem erzählerischen Reichtum, seinen Umwelt- und Leerstandsproblemen und seiner Fähigkeit zur Verschmelzung von Biografien und Landschaft.
Nun soll ein Drittel dieses Stadtteils einem Grünzug weichen, dem Grüngürtel Duisburg-Nord, der sich entlang des Thyssenwerks von Beeck über Bruckhausen bis Marxloh erstrecken soll. Der Sinn dieses Grünzugs ist umstritten, dient er doch in erster Linie nicht der Versorgung der verbleibenden Anwohner mit Grün, sondern dem Thyssenwerk als Pufferzone zur angrenzenden Wohnbebauung, deren tatsächlicher Beitrag zum Immissionsschutz mehr psychologischer als realer Art sein wird.
Während die Marxloher Bürgerschaft den Abriss eines Gutteils ihres Stadtteils für diese Planung bisher verhindern konnte, sind in Bruckhausen seit Monaten immer wieder Abrissfahrzeuge im Einsatz, um, in loser Folge und ohne erkennbares Muster, erst dieses und dann jenes Haus abzureißen und zu einem Granulat zu verarbeiten, mit dem die zurückbleibende Lücke ausgekleidet wird. Das ist, bei aller Skepsis, die die zugrunde liegende Planung verdient, ein faszinierender Prozess, der zu grandiosen und grandios überraschenden Anblicken führt, an deren plötzlichem Auftauchen man sich noch einige Zeit erfreuen können wird.
Von der schillernden Schönheit dieses Vorgangs ist in den prämierten Entwürfen zum neuen Grüngürtel leider ebenso wenig enthalten wie von der Brisanz der Aufgabe in der Wettbewerbsausschreibung die Rede war – immerhin liegt ihr der Teilabriss eines der bildgewaltigsten Stadtteile des Ruhrgebiets zugrunde. Das ist tragisch, denn würde man den Jetzt-Zustand der betroffenen Straßenzüge und ihre sukzessive Veränderung als Park im Prozess verstehen, ergäben sich großartige Möglichkeiten für einen noch nie gesehenen Park – Möglichkeiten, die vom Abriss als Performance über die Ableitung der künftigen Parkarchitektur aus dem Gewesenen bis hin zu Erhalt und Umnutzung von Gebäuden reichen können. Durch den Abend führt Boris Sieverts.
Termin: Donnerstag, 29.3.2012, 19h
Ort: Situation Room, Weseler Str. 144, 47169 Duisburg (Marxloh)
Veranstalter: Legenda – Gesellschaft für explorative Landeskunde e.V.