Sehr geehrte Frau Reker,
nach meinem offenen Brief vom 3.3. an Sie in Sachen Kalkberg, rief mich Ihr Büromitarbeiter William Wolfgramm freundlicherweise an, um mir mitzuteilen, dass die Beauftragung der Planung zur Haldensanierung durch den Stadtdirektor im Einverständnis mit der Oberbürgermeisterin geschehen sei. Herr Wolfgramm sagte auch, es sei zwar verständlich, dass der Eindruck entstehe, der Stadtdirektor handle hier entgegen der politischen Beschlüsse, aber letztlich sei es Herrn Kahlen auf der Ausschusssitzung lediglich nicht gelungen, die Ausschussmitglieder vom Charakter der Planungen als Notfallmaßnahme zu überzeugen. Dies sei dann später in einem persönlichen Gespräch mit der Oberbürgermeisterin nachgeholt worden.
Sehr geehrte Frau Reker, ich habe eine hohe Meinung von Ihnen und ich kann mir vorstellen, dass die Zusammenarbeit mit Herrn Kahlen für Sie keine Freude ist. Umso mehr frage ich mich, warum Sie sein Spiel mitspielen und ein ums andere mal Maßnahmen unter dem Deckmantel der Gefahrenabwehr genehmigen, die letztlich nichts als eine Vorbereitung der Haldensanierung nach einem der Hubschrauberstation gerechten Standard bedeuten. Welche Summen eine solche Sanierung verschlingen wird, dass sich dafür andernorts mehrere Stationen bauen ließen und dass eine Hubschrauberstation auf dem Kalkberg eine für ewig unsichere Dauerbaustelle werden wird, das haben wir von der Bürgerinitiative in vorangegangenen mails ausführlich dargestellt.
Warum lassen Sie sich von den Herren Kahlen, Feyrer und Lechleuthner ein ums andere mal erpressen mit ihren Notfallszenarios, die sie, sofern sie denn zutreffen sollten, auch noch selber herbeigeführt haben? Als Oberbürgermeisterin steht Ihnen ein Rat zur Seite. Dieser Rat bildet Ausschüsse. Wenn alle drei maßgeblich mit der Sache befassten Ausschüsse nach ausgiebiger Beratung zu der Ansicht gelangen, dass eine akute Notfallsituation nicht gegeben ist, warum haben Sie dann kein Vertrauen in diese Einschätzung? Im Übrigen lautet eine grundlegende Spielregel der Demokratie, dass man einander überzeugen muss. Wenn es dem Stadtdirektor nicht gelungen ist, die Ausschüsse zu überzeugen, dann hat er sich darein zu fügen. Dass die Geschäftsordnung der Kommunen hier im Falle der Gefahrenabwehr Ausnahmen ermöglicht, ist recht und billig. Wer diese Geschäftsordnung würdigt, sollte deshalb aber auch wachsam sein, dass sie nicht missbraucht wird.
Lassen Sie mich Ihnen deshalb im Folgenden darstellen, warum es sich hier um einen krassen Fall von Missbrauch der Geschäftsordnung handelt. Ich bin, nach dem Telefonat mit Herrn Wolfgramm, die Unterlagen der letzten zwei Monate nochmals durchgegangen und habe meine Ansicht, dass sich der Stadtdirektor mit der Beauftragung der Planung zur Haldensanierung (Punkt 1.3. seiner Mitteilung an die Ausschüsse, im link) über seine Befugnisse hinweggesetzt hat, nicht nur bestätigt gefunden, sondern habe auch bemerkt, dass bereits im Maßnahmenpaket „Gefahr im Verzug II“ (Punkt 1.2. seiner Mitteilung an die Ausschüsse) Maßnahmen enthalten sind, die eindeutig nicht einer „Gefahr im Verzug“ zuzuordnen sind.
Unter Punkt 1.2. handelt es sich dabei um:
Die Reinigung und das intensive Monitoring der Zufahrtsstraße:
Die Zufahrtsstraße wird in dieser Form nur gebraucht, wenn die Hubschrauberstation auf dem Kalkberg betrieben werden soll. Ohne die Hubschrauberstation braucht es keine Zufahrtsstraße in dieser Form. Da die Zufahrtsstraße wesentlich zur Destabilisierung der Halde beiträgt, handelt es sich hierbei nicht bloß um ein Detail, sondern um einen wesentlichen Punkt in der Unterscheidung zwischen einer nutzungsunabhängigen und einer stationsgerechten Haldensanierung. Die Tatsache, dass der Stadtdirektor diesen Punkt unter das Maßnahmenpaket „Gefahr im Verzug“ mischt, belegt den Verdacht, dass hier, unter dem Vorwand der Gefahrenabwehr, Tatsachen für die Hubschrauberstation geschaffen werden sollen.
Auch die sofortige Abdeckung der Bereiche, in denen der Kalk offen liegt, fällt unseres Erachtens nach nicht unter „Gefahr im Verzug“, hatte die Feuerwehr doch zuletzt immer wieder betont, dass eine Gefahr für die Bevölkerung von diesen Flächen beim derzeitigen Klima nicht ausgehe und dass sie im Falle der Trockenheit die Flächen bewässern könnte.
Ich kann mir kaum vorstellen, dass Ihnen entgangen ist, dass der Stadtdirektor die Gutachten je nach Bedarf interpretiert, wie es ihm gerade passt und sich dann stets von den Gutachtern entsprechend sekundieren lässt. Dass diese dadurch immer wieder ihren eigenen Aussagen widersprechen, disqualifiziert ihre Einschätzungen weitgehend, so dass man sich nur noch auf die von ihnen festgestellten Tatsachen sowie seinen eigenen „gesunden Menschenverstand“ verlassen und sich daraus sein eigenes Urteil ableiten sollte. Das Urteil für den Kalkberg kann in diesem Falle nur lauten:
- Der Berg war offenbar zu keinem Zeitpunkt nach den Regeln der Kunst geschüttet, geschweige denn saniert.
- Die Bauarbeiten haben die Situation verschlechtert.
- Der Kahlschlag an den Nord- und Westhängen hat die Situation abermals verschlechtert und zwar durch dreierlei:
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- Der Boden verliert an Halt (denn de facto wurden die Bäume nicht nur geschlagen, sondern es wurden auch massenhaft Wurzeln herausgerissen, das haben wir fotografisch dokumentiert)
- Der Boden trocknet aus und verweht, oder
- Er durchnässt und das Wasser wird ihm durch die Pflanzen nicht mehr entzogen, so dass es ungehindert bis ins Grundwasser durchsickern und Schadstoffe einspülen kann.
Gleichzeitig ist festzuhalten, dass gerade der Nord- und der Westhang des Kalkbergs seit 40 Jahren stabil stehen. Sollte sich durch den Kahlschlag die Erdrutschgefahr tatsächlich so erhöht haben, dass nun „Gefahr im Verzug“ besteht, so haben die Gutachter selber beschrieben, dass diese Erdrutsche bis maximal 6 meter ins benachbarte Gelände hineinreichen können. Deshalb haben sie in diesem Umkreis den Sicherheitszaun aufgestellt. Der Abwehr von „Gefahr im Verzug“ ist damit genüge getan.
Ebenfalls festzuhalten ist, dass es für den Kahlschlag keine zufriedenstellende Begründung gab. Ein Geländeprofil kann man auch ohne Kahlschlag erstellen, wenn man dabei auf den Einsatz einer Drohne verzichtet. Sonst wären ja alle detailliert kartierten Landstriche abgeholzt! Dass die Drohne darüber hinaus nur ein Vorwand war, lässt sich auch daran erkennen, dass diese mit dem am Boden verbleibenden Totholz ja nach wie vor kein präzises Geländeprofil ermitteln kann!
Auch für das Aufspüren derjenigen Stellen, an denen der Kalk offen zutage tritt, bedarf es keines Kahlschlags. Wir waren oft an den Hängen des Kalkbergs unterwegs und kannten diese Stellen aus eigener Anschauung. Das nun am Boden liegende Holz versperrt im Gegenteil die Sicht. Und die bei der Kahlschlagaktion eingesetzten Kettenfahrzeuge haben den Boden im großen Stil aufgeschürft und viele der offenen Stellen so erst geschaffen (auch das haben wir dokumentiert).
Der tatsächliche Grund für den Kahlschlag dürfte gewesen sein, dass der Stadtdirektor und die Feuerwehr die stationsgerechte Sanierung der Halde vorbereiten wollten, bevor ihnen der Vogelschutz dazwischen kommt. Denn dass man zum Eintreiben von Spundwänden und dergleichen größerer Maßnahmen nicht zimperlich um jeden Baum herumarbeiten kann, liegt auf der Hand.
Nun zu Punkt 1.3. der Mitteilung an die Ausschüsse, dem sogenannten „Maßnahmenpaket Gefahrenabwehr“:
Wie die Überschrift „Maßnahmenpaket Gefahrenabwehr“ in bewusster Unterscheidung zu den vorhergehenden Maßnahmenpaketen „Gefahr im Verzug I und II“, bereits besagt, handelt es sich bei den hier aufgeführten Maßnahmen ausdrücklich nicht um „Gefahr im Verzug“! Der Stadtdirektor hat damit unseres Wissens nach keine Grundlage zum eigenmächtigen und an den politischen Beschlüssen vorbei gehenden Handeln. Diese Feststellung unsererseits ist nicht bloß eine juristische Spitzfindigkeit, sondern sie deckt sich voll und ganz mit unserer Einschätzung der Situation am Kalkberg. Es besteht im Moment kein akuter Handlungsbedarf! Wenn der Stadtdirektor die mittel- bis langfristig vorzubereitenden Handlungen vorbereiten will, dann hätte er dies durch die von den Ausschüssen verlangte Aufschlüsselung der Planungskosten tun können! Und auch die vom Rat längst geforderte vergleichende Übersicht über die neu zu bewertenden Alternativstandorte würde helfen, den am Kalkberg mittel- bis langfristig notwendigen Handlungsbedarf zu ermitteln, indem sie die endgültige Standortentscheidung voran treiben und damit auch eine differenzierte Entscheidung zur Sanierung der Halde ermöglichen würde. Die Tatsache, dass der Stadtdirektor diese vergleichende Standortübersicht mal um mal nicht liefert, zeigt, dass er an einer tatsächlich nutzungsunabhängigen Haldensanierung kein Interesse hat.
Aus den oben genannten Gründen fordern wir Sie in Ihrem Amt als Oberbürgermeisterin deshalb auf:
- Stoppen Sie sämtliche Maßnahmen aus dem Maßnahmenpaket „Gefahr im Verzug II“, die über das Aufstellen des Sicherheitszauns hinaus gehen, insbesondere das Monitoring der Zufahrtsstraße!
- Stornieren Sie den Auftrag für die Planung zur Stabilisierung des Kalkbergs bis zur Vorlage einer differenzierten Aufschlüsselung der Planungskosten!
- Prüfen Sie, ob der Kahlschlag am Kalkberg gegen die Grundsätze des Naturschutzes und/oder der Kölner Baumschutzsatzung verstieß!
Im Übrigen bitten wir Sie, dieses Schreiben als Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Stadtdirektor zu behandeln und ein Disziplinarverfahren einzuleiten.