Büro für Städtereisen

Kalkberg

Sanierung ist auf Kante genäht

Sehr geehrte Mitglieder des Rates der Stadt Köln und seiner Ausschüsse, sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, liebe Kölner, liebe Presse,

wie Sie vielleicht bemerkt haben, hat sich die BI Kalkberg in den vergangenen Wochen und Monaten mit Informationsmails zurückgehalten. Der Grund dafür war folgender: Nachdem sich zuletzt sämtliche Ratsparteien vom Kalkberg als Standort für eine Hubschrauberstation distanziert hatten, hatte der Stadtdirektor endlich die längst überfällige Prüfung alternativer Standorte für die Hubschrauberstation durch einen externen Sachverständigen ankündigt. In einem offenen Brief hatten wir den Stadtdirektor daraufhin aufgefordert, sowohl die Auswahl des Gutachters als auch den Prozess der Begutachtung so transparent wie möglich und unter Hinzuziehung der Expertise aus der Bevölkerung zu gestalten – nach den vergangenen Erfahrungen am Kalkberg schien dies die einzige Möglichkeit, verlorenes Vertrauen wieder herzustellen. Indes: Wir haben auf diesen Brief nie eine Antwort erhalten!

Deshalb begleiten wir die laufenden Sanierungsmaßnahmen am Kalkberg mit Skepsis. Mittlerweile häufen sich die Indizien dafür, dass diese Sanierung nach wie vor dem Ziel dient, die Hubschrauberstation vor dem Abriss zu bewahren und dass dafür auch fragwürdige Risiken in Kauf genommen werden: Die Hänge sind nach wie vor zu steil, der bröselige bis weiche Kalkpudding steht viel zu dicht unter der Oberfläche an und auch die Zufahrtsstraße, die massiv in die Dämme, die den Kalk zusammenhielten, einschneidet, wurde beibehalten. Einem Schreiben der Verkehrsdezernentin an die BI Kalkberg konnten wir überdies entnehmen, dass entlang der Westflanke des Kalkbergs eine neue Straße geplant ist. Damit schafft man sich einen zusätzlichen Zwang, der eine sachgerechte statische Sanierung der Halde vollends unmöglich macht.

Um unsere Kritik und unsere Skepsis an der laufenden Sanierung in einem Satz zusammen zu fassen: Man kann nicht eine chemische Deponie, die zu steil ist und deren weiches Inneres nach außen drückt, sachgerecht sanieren, wenn man einerseits oben nichts wegnehmen will (weil man dafür die Station abreissen müsste) und zugleich unten nichts antragen kann oder will, weil man dafür im Osten die Zufahrtsstraße und im Norden Wohnhäuser abreissen sowie im Westen auf die geplante Straße verzichten müsste. Wie eng die Situation ist, sieht man aktuell an der Westseite des Kalkbergs: In der Not hat man hier bereits das Material bis hart an die Unterkante der Landeplattform abgetragen. Weiter konnte man nicht gehen, ohne die Landeplattform mit abzutragen (siehe Bild unten).

Kalkberg Westseite
Kalkberg Westseite

 

Dass die Halde für einen sogenannten Tailing (das ist der Fachbegriff für Schlammdeponien) immernoch viel zu steil ist, sieht man sogar im Vorbeifahren aus der Linie 3 auf der Karlsruher Straße. Deutlich zu erkennen sind hier ebenfalls die dicht unter der Oberfläche liegenden Kalkschichten:

Kalkberg: Ansicht Karlsruher Straße
Ansicht Karlsruher Straße

Siehe zu dieser Thematik auch den folgenden Video auf der Facebookseite der Kalker Grünen:

https://www.facebook.com/gruenekalk/videos/2128596050514328/

Um den Zweifeln an der Angemessenheit der Sanierung nicht zusätzlich Nahrung zu geben, schreckt das Amt für Brücken, Tunnel und Stadtbahnbau offenbar auch nicht davor zurück, Schnittzeichnungen durch den Kalkberg aus dem jüngsten statischen Gutachten zurück zu halten. Dass solche Schnitte existieren, geht aus den Lageplänen des Gutachtens hervor. Die Ratsfraktion der Linken erhielt vom o.g. Amt die Auskunft, dass man die Schnitte nicht vorlegen wolle, da ja nur einzelne Bohrpunkte bekannt seien und die Zwischenräume deshalb nur interpoliert werden konnten. Die Schnitte könnten deshalb zu falschen Schlussfolgerungen führen. Dass das Argument absurd ist, liegt auf der Hand, denn selbstverständlich arbeitet jeder Geländeschnitt mit Bohrpunkten und dazwischenliegenden Interpolationen. Ein Experte, den wir danach befragten, schrieb uns: „Schnitt- bzw. Profilzeichnungen sind ein gutes zeichnerisches Element, um sprichwörtlich ein tieferes Verständnis von den örtlichen Verhältnissen zu erlangen. Sind in Lageplänen Schnittlinien eingetragen, dann wurden auch Schnitte erstellt. Dafür sind Interpolationen für die Zwischenräume der nicht aufgeschlossenen Bereiche erforderlich. Das ist aber auch jedem klar, da in den Schnittzeichnungen die vorliegenden Profile eingetragen werden. Schnittzeichnungen sind meines Erachtens in komplexeren Fällen standart.“

Kalkberg: Schnitt-  Gutachten Büro Grün
Schnitt Gutachten Büro Grün

Solange die Stadt Köln sich weigert, neue Schnitte vorzulegen, verweisen wir deshalb nach wie vor auf die Schnittzeichnungen aus dem ersten Gutachten nach Bekanntwerden des Desasters. Aus diesen Schnitten (Beispiel siehe unten) geht deutlich hervor, wie dicht der Kalk an der Oberfläche (hier unter der Straße) liegt und welche Gefahren damit verbunden sind. Offenbar waren diese Darstellungen den Verantwortlichen bei der Stadt zu anschaulich:

Ebenfalls recht anschaulich ist dieses Foto, das vor wenigen Wochen am Kalkberg entstand: Hier sieht man sehr deutlich, wie die massive Kalkschicht bei den Bauarbeiten dicht unter der Oberfläche zutage tritt. Dass die entsprechende Stelle mit einem schwarzen Laken getarnt wurde, spricht für sich: Offenbar ist man sich der Brisanz der Thematik durch aus bewusst…

Kalkberg Baustelle Mai 2018
Kalkberg Baustelle Mai 2018

 

Dass die laufende Sanierung nicht nur „auf Kante genäht“, sondern auch weiterhin mit unkalkulierbaren Risiken belastet ist, belegt auch der jüngste Fund eines Stollens im Kalkberg, der ebenfalls bei den Bauarbeiten angeschnitten wurde. Hier ein Bild vom notdürftig abgedeckten Tunnelmund:

Kalkberg: Tunnelmund
Tunnelmund

Die Presse berichtete:

https://www.rundschau-online.de/region/koeln/zufallsfund-im-kalkberg-graben-aus-kriegszeit-entdeckt—folgen-noch-voellig-unklar-30940848

https://www.ksta.de/koeln/kalk/koeln-kalk-hohlraum-am-kalkberg-entdeckt-30938406

https://www.report-k.de/Koeln-Nachrichten/Koeln-Nachrichten/Kalkberg-Stadt-meldet-ueberraschenden-Fund-100557

Ältere Buchforster wissen zu berichten, dass ihre Familien in diesem Stollen bei Bombenangriffen Zuflucht suchten. Nachzulesen ist das unter anderem in der Festschrift 85 Jahre Buchforst der Buchforster Geschichtswerkstatt. Dass sich die Befragung von Anwohnern und lokalen Experten bei der Beurteilung von Altlasten empfiehlt, dafür wird der Kalkberg ein von Jahr zu Jahr anschaulicheres Beispiel. Uns ist allerdings nicht bekannt, dass in der Zwischenzeit mal jemand solche Befragungen durchgeführt hätte. Im Gegenteil: Warnende Hinweise aus der Bevölkerung wurden von Anfang an ignoriert.

Bei aller Skepsis gegenüber den Akteuren auf Seiten der Stadt Köln möchten wir zuguterletzt auch noch einen kleinen Fortschritt vermelden:

Nach monatelangem insistieren beim Umeltamt durch Politik und BI Kalkberg kam dort im Mai endlich ein Treffen zustande, bei dem Vertreter der im Umweltausschuss vertretenen Parteien und ein BI-Mitglied Einsicht in die jüngsten Bohrpläne erhielten und sich die bislang vorliegenden Analysewerte erläutern ließen. Dabei standen folgende Positionen im Raum:
Das Umweltamt und einige Ausschussmitglieder vertraten die Ansicht: „Warum sollen wir weitere Bohrproben untersuchen, wenn wir über die Grundwasserbrunnen doch sowieso mitkriegen, wenn sich die Situation verschlechtert?“
Dem stand die Haltung der BI Kalkberg, der Linken und Teilen von Grünen und SPD gegenüber, die da lautet: „Der teure Teil des Verfahrens, nämlich das Entnehmen der Bohrproben, ist bereits gelaufen. Die Proben liegen auf Lager und es bietet sich nun die letzte Gelegenheit, zu erfahren, was im Kalkberg tatsächlich drinsteckt, statt lediglich durch das Grundwasser indirekte Hinweise zu bekommen und zukünftiger Entwicklungen zu harren. Ist der Berg erst einmal mit Folien abgedichtet, wird das entnehmen neuer Proben sehr viel teurer. Da der Kalkberg schon so viele Überraschungen bereitgehalten hat, halten wir es für naiv, zu glauben, dass man mit einer ausschließlichen Kontrolle der Grundwassersituation auf der sicheren Seite ist. Unbekannte Risiken sind nicht kalkulierbar. Es ist daher sinnvoll, die Gefahren, die im Kalkberg schlummern, so gut wie möglich in Erfahrung zu bringen, zumal zum „Schnäppchenpreis“ von 30.000 Euro, die die Analyse sämtlicher von der BI Kalkberg vorgeschlagener Proben kosten würde.“ Geeinigt haben wir uns schließlich auf die Untersuchung weiterer vier Bohrkerne in den grundwassernahen Horizonten sowie der rätselhafterweise bislang nicht untersuchten Abschnitte der Bohrung 38 (die BI berichtete). Der Umweltausschuss folgte diesem Kompromiss mit seinem Beschluss vom 29.5.2018 (siehe Protokoll in der pdf).

Danke für Ihre Geduld und Aufmerksamkeit