Dem Stadtteil Kalk droht das nächste Kapitel seines seit Jahren andauernden architektonischen und städtebaulichen Ausverkaufs. Die ehemaligen KHD-Hallen 76 und 77 am Ottmar-Pohl-Platz gleich neben der Theaterhalle Kalk sollen abgerissen werden. Nachdem die notwendigen Instandhaltungsmaßnahmen offenbar jahrelang unterblieben sind oder überhaupt niemals stattgefunden haben, befinden sich die Hallen nun in einem Zustand, der die Rentabilität einer Sanierung in Frage stellt. Halle 77 diente dem Museum Ludwig jahrelang als Depot. Das Museum hat seine Schätze bereits heraus geräumt, obwohl die Halle der Stiftung Ludwig vertraglich auf unbegrenzte Zeit zugesichert ist. Zum Verständnis: Halle 76 ist die große Halle rechts neben dem Eingang zur Theaterhalle Kalk. Halle 77 schließt südlich daran an.
Angesichts dieser Situation drängen sich zahlreiche Fragen auf:
- Wie kann die Stadt Köln zwei denkmalgeschützte Hallen, von denen eine sich noch dazu in einer vertraglich zugesicherten Nutzung befindet, so verkommen lassen, dass sie angeblich abgerissen werden müssen?
- Wo endet der städtebauliche und architektonische Ausverkauf von Kalk, der mit dem Komplettabriss des CFK-Geländes und seiner anschließenden Bebauung, die jeder Beschreibung spottet, begann, sich über die Hubschrauberstation auf dem Kalkberg fortsetzte und nun offenbar nach Kalk Süd übergreift?
- Welche Rolle teilt die Stadt Köln dem Ottmar-Pohl-Platz zu, der einmal als Theatervorplatz und städtebauliches Entree nach Kalk Süd gedacht war, dessen Bebauung, abgesehen von den nun zum Abriss stehenden Hallen aber, ähnlich wie auf dem CFK-Gelände, in einer Banalität mündete, die diese Funktion nur noch schwer erkennen lässt? Mit dem Abriss der Hallen würde der Ottmar Pohl-Platz endgültig zum architektonischen und städtebaulichen Desaster. Eine halt- und gesichtslose Pflasterwüste zwischen 08/15-Wohnungsbau und den von Securitydiensten gesicherten Zugängen und Kantinencontainern des Kalk Karrees.
- Welche Vorstellung hat die Stadt Köln von Kalk Süd dies- und jenseits der Dillenburger Straße? Soll hier ein weiteres gesichtsloses Gewerbegebiet wie auf dem CFK-Gelände entstehen? (Dann wäre der Ottmar-Pohl-Platz, wie er nun zu werden droht, allerdings ein „angemessenes“ Entree!)
- Welche Zukunft droht den wenigen „Lichtblicken“, die Kalk in den letzten 20 Jahren erfahren hat, namentlich der Theaterhalle Kalk als direktem Nachbarn der Hallen 76 und 77 und der Abenteuerhalle Kalk? Wann werden auch diese Hallen nur vorübergehende Ausnahmen in der traurigen Geschichte des großen Ausverkaufs gewesen sein?
- Was ist angesichts dieser Ereignisse von den Beteuerungen der Stadt zu halten, in Mülheim Süd große Teile der historischen Bausubstanz erhalten zu wollen? Es ist zu befürchten, dass man hier auch wieder zusehen wird, wie sich die Dinge so entwickeln, dass der Abriss irgendwann „unvermeidlich“ wird!
- Wie kann es sein, dass in einem Stadtteil, der in einer solchen Dynamik begriffen ist, wie Kalk in den letzten Jahren, die Öffentlichkeit von dem drohenden Abriss eines ihrer zentralen Gebäude erst erfährt, wenn dieser beschlossene Sache ist? Kalk ist ein Stadtteil im Umbruch. Gegensätzliche Veränderungen (Arkaden, Flüchtlingshotels, Wohnraumverbesserung, Wohnraumverteuerung, mehr und mehr nachbarschaftliche Initiaven, neue Gastronomie und Läden etc.) sind unübersehbar und als Energie auf der Straße förmlich mit Händen zu greifen. Angesichts dieser Dynamik ist es ein Hohn, dass die Stadt behauptet, die Möglichkeit einer Umnutzung geprüft zu haben, nachdem sie mit gerade mal 2 (in Worten zwei!) Investoren über mögliche Nutzungen gesprochen hat. Angesichts des kreativen, unternehmerischen und sozialunternehmerischen Potentials in Kalk kann das unmöglich das letzte Wort gewesen sein. Hier wäre ein öffentlicher und weit verbreiteter Aufruf zu erwarten, den ich an dieser Stelle gerne schon mal formuliere:
Ortsbildprägende Industriehallen abzugeben. 4300 m2 Grundfläche. Hohe Sanierungskosten. Der Käufer erhält 3 Mio. Euro von den sonst fälligen Abrisskosten sowie höchstwahrscheinlich Städtebaufördermittel. Bei Interesse bitte an folgende Adressen wenden:
Stadt Köln
Dezernat VII- Kunst und Kultur
Susanne Laugwitz-Aulbach
Richartzstr. 2-4
50667 Köln
Tel. 0221-22124110 (Dezernat)
0221- 221-22322 (Sekretariat)
und 0221-22123460 (persönlicher Referent)
kulturdezernat@stadt-koeln.de
Gebäudewirtschaft der Stadt Köln
Willy-Brandt-Platz 2
50679 Köln
Tel. 0221-22120601
gebaeudewirtschaft@stadt-koeln.de
Es muss Schluss sein mit dem Ausverkauf von Kalk. Die Hallen zu erhalten mag teuer sein, aber es wäre ein Akt der Anerkennung der räumlichen und architektonischen Identität eines ganzen Stadtteils und ohnedies eine Wiedergutmachung für offenbar jahrelange Tatenlosigkeit. Dass dies letztlich keine Frage der Machbarkeit, sondern der Wichtigkeit ist, die einem Projekt zuerkannt wird, zeigt der Umgang mit Industriedenkmälern im Ruhrgebiet. Stahlfachwerk mit Ziegelmauerwerk zählt auch hier zu den Standardkonstruktionen und sein Zustand war auch hier häufig miserabel. Seine vielfach stattgefundene Sanierung war aufwendig, aber niemand bestreitet dort die Richtigkeit und Wichtigkeit dieser Maßnahme an strategisch wichtigen Orten und Objekten! Darüber hinaus gibt es auch in Köln höchst interessante privatwirtschaftliche Beispiele für den Erhalt historischer, industrieller Bausubstanz.
Im Anhang finden Sie die entsprechenden Mitteilungen des Kulturausschusses und des Presseamtes der Stadt Köln sowie eine gemeinsame Stellungnahme des Rheinische Industriekultur e.V., des Deutschen Werkbunds und des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Landschaftsschutz; ausserdem eine Hallenansicht innen und außen und ein Luftbild der städtebaulichen Situation.
Wer sich vor Ort ein Bild machen möchte, ist herzlich eingeladen zur Führung durch den Kalker Süden am Donnerstag, 16. April um 17h. Treffpunkt: Kalk Post
Mitteilung-Kulturausschuss-Abriss-Hallen-Kalk.pdf
PressmitteilungStadtKoelnVII_232-Halle-Kalk.pdf
Stellungnahme_Industriekultur_Werkbund_Denkmalpflege.pdf