Liebe Kölner,
die Hubschrauberstation auf dem Kalkberg steht anscheinend tatsächlich vor dem Aus:
https://www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/lokalzeit-koeln/video-lokalzeit-aus-koeln—180.html
https://www.ksta.de/koeln/baustopp-fuer-den-koelner-kalkberg-hubschrauber-station-steht-vor-aus-32768358
Auch wenn es für eine abschließende Bilanz noch zu früh ist, darf die sich anbahnende Entscheidung des Rates bereits jetzt als Sieg der sozialen Gerechtigkeit, der ökonomischen Vernunft und Zeichen der Hoffnung für die politische Kultur in Köln gewertet werden. Warum, darauf möchten wir im Folgenden näher eingehen – für die Lesefreudigen :-) :
Sieg der sozialen Gerechtigkeit
Das jüngste Gutachten zum Kalkberg bestätigt einen Verdacht, den wir schon lange hegten: Die Entscheidung, die HBS vom Klinikum Merheim auf den Kalkberg zu verlegen, war in ihrem Ursprung ein Immobiliendeal:
Wir zitieren aus dem Gutachten (aus der Erörterung zu möglichen Schadensersatzansprüchen der Investoren im Falle einer Rückverlegung der HBS nach Merheim):
Seite 31 ff : Am 20.5.2003 schloss die Stadt Köln mit GBA und ROTONDA einen städtebaulichen Vertrag, dessen Zweck es war, Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für Eingriffe in Natur und Landschaft durch die angestrebte Entwicklung des ehemaligen Betriebsgeländes der MADAUS AG zu regeln. Darüber hinaus wurde eine Vereinbarung zu einer möglichen Beteiligung der beiden Projektentwicklungsgesellschaften an den Kosten der für die Entwicklung seinerzeit erforderlichen Verlegung des Hubschrauberlandeplatzes getroffen (Teil II (in Bezug auf GBA) und III )in Bezug auf ROTONDA) des Vertrages). GBA und ROTONDA sicherten jeweils eine Beteiligung in Höhe von Euro 500.000 an den Kosten für die Verlegung des Hubschrauberlandeplatzes zu. Die Beteiligung war an die Bedingung geknüpft, dass (1) die Maßnahme „Verlegung des Hubschrauberlandeplatzes“ bis zum 30.6.2007 durchgeführt sein würde und dass (2.) in der Folge der Verlegung der Bebauungsplan Nr. 74459/07 im Bereich näher bezeichneter privater Grünflächen innerhalb derselben Frist so geändert würde, dass auf diesen Flächen eine Nutzung ermöglicht wird, die dem Bebauungsplanentwurf (Stand 16.04.2003) vor Durchführung der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses letzten Änderung entspräche.
Seite 33: Zudem heißt es in Teil II Paragraph 1 konsequenterweise, die Vorhabenträger hätten „für den Fall der Verlegung des Hubschrauberlandeplatzes“ eine Kostenbeteiligung angeboten. (Unterstreichung durch den Verfasser)
Seite 40: Es spricht einiges dafür, dass GBA und ROTONDA damit das hinter dem Vertragsabschluss stehende Ziel (endgültig) erreicht haben, indem sie die Grundstücke aufgrund der ermöglichten Wohnbebauung entwickeln und (mit Gewinn) an Dritte veräußern konnten. Ihre Aufwendungen waren demnach nicht nutzlos.
Seite 44: War Zweck des Vertrags eine dauerhafte Verlegung des Landeplatzes oder diente der Vertrag „nur“ einer Beseitigung der Hindernisse, die einer Realisierung der (unbeschränkten) Wohnbebauung entgegenstanden? (Unterstreichung durch den Verfasser)
Was ist da gelaufen? Auf dem freigewordenen MADAUS – Areal in Merheim in direkter Nachbarschaft des Klinikums wollte die GBA Projektentwicklung GmbH Köln-Merheim, gemeinsam mit der ROTONDA achtzehn Merheim Vermögensverwaltungs GmbH, Eigenheime errichten. Zu diesem Zweck sollte ein Bebauungsplan verabschiedet werden. Als man feststellte, dass dieser in Teilen (es ging nie um die Bebaukarkeit des Areals an sich) mit sich ankündigenden neuen Sicherheitsvorschriften für den Betrieb einer Hubschrauberstation unvereinbar war, wurde der Bebauungsplan einer vorübergehenden Änderung unterzogen. Nachdem die beiden Gesellschaften sich vertraglich zu einer „Umzugshilfe“ für die Hubschrauberstation in Höhe von 1 Mio. Euro verpflichtet hatten, wurde der alte Bebauungsplan wieder hervorgeholt und verabschiedet (siehe hierzu die Dokumente aus dem Ratsinformationssystem unter https://ratsinformation.stadt-koeln.de/vo0050.asp?__kvonr=3925&search=1).
Das bedeutet im Klartext: Statt den Bebauungsplan dauerhaft so anzupassen, dass Hubschrauberstation und Bebauung koexistieren können, boten die genannten Gesellschaften der Stadt eine „Umzugshilfe“ von 1 Million Euro (ein Schelm, wer Böses dabei denkt) für die Rückkehr zum alten Bebauungsplan mit höherer Ausnutzung. In der Konsquenz wurde:
1. die Luftrettung im Gebiet der Trägergemeinschaft gefährdet.
2. eine weniger einflussreiche Bevölkerungsgruppe als die genannten Firmen (inclusive der für ihre äußerst guten Beziehungen bekannten ROTONDA) einer Odyssee aus Umwelt-, und Bauskandalen ausgesetzt, von der beträchtlichen zukünftigen Lärmbelastung durch 12 Hubschrauberstarts- und Landungen täglich ganz zu schweigen.
3. Die Mär von der Verschärfung der EU-Richtlinien, die einen Umzug der HBS unausweichlich gemacht hätten, in die Welt gesetzt (und seitdem mantraartig wiederholt)
Dass die oben genannte GBA später auch als Auftraggeberin für die ersten Lärm -und Flugeignungsgutachten zum Kalkberg fungierte, mit denen der Standort als einziger ins „Rennen“ der angeblich unvoreingenommen geprüften Alternativen ging, passt ins Bild eines abgekarteten Spiels, bei dem die Stadtgesellschaft und die öffentlichen Kassen (mal wieder) die Verlierer darstellen, während private Gesellschaften (neben ROTONDA und GBA kam später noch die GSE als damalige Eigentümerin der Altlast Kalkberg hinzu) sich die Taschen füllten.
Wenn der Rat der Stadt Köln am 9. Juli entscheiden sollte, den Kalkberg als Standort der HBS aufzugeben, dann ist das auch ein Signal gegen solche Machenschaften und wenigstens ein teilweiser „Sieg der sozialen Gerechtigkeit“, indem die 26.000 Menschen, auf deren gesundheitliche Kosten der Deal abgewickelt werden sollte, rehabilitiert werden.
Zu achten ist indes darauf, dass nicht andere die Sache nun ausbaden müssen. Mit den beiden Alternativen Kurtekotten und Flughafen Köln/Bonn liegen zum Glück zwei Standorte auf dem Tisch, bei denen im genannten Radius nur eine äußerst geringe Zahl von Anwohnern (ca. 30 auf den letzten Metern des genannten Radius´ – also zwischen 950 und 1000 Metern – am Flughafen und niemand (!) am Kurtekotten) von der HBS betroffen wären. Der im o.g. Gutachten erwähnten Kindertagesstätte in 1200 Metern Entfernung zum Standort Kurtekotten möchten wir die 11 (Stand 2008) lärmempfindlichen Einrichtungen im von der Genehmigungsbehörde als maßgeblich benannten Umkreis von 1000 Metern um den Kalkberg entgegenhalten und nochmals auf die extreme Ungleichheit bei der Beurteilung des Lärmkriteriums am Kalkberg im Vergleich zu sämtlichen anderen im Laufe der Zeit angeblich geprüften Standorten hinweisen (so auch im jüngsten Gutachten)!
Sieg der ökonomischen Vernunft
Nach der nun vorliegenden Kalkulation für den Fertigbau der HBS auf dem Kalkberg würde dieser knapp drei Millionen Euro kosten. Hierin nicht enthalten sind die üblichen Kostensteigerungen sowie die vor Jahren auf 700.000 geschätzten Euro (das dürfte in der Zwischenzeit deutlich teurer geworden sein) für den von der Genehmigungsbehörde vorgeschriebenen Schallschutz an den genannten 11 lärmempfindlichen Einrichtungen im Umkreis von einem Kilometer. Hinzu kämen ggf. die sich aus dem am Festhalten an der HBS ergebenden Teuerungen bei der weiteren Sanierung der Halde – insbesondere an der womöglich nicht standfesten Südflanke.
Wenn in den städtischen Mitteilungen von einem Fertigstellungsgrad der HBS Kalkberg von 80 bis 90 Prozent die Rede ist, dann klingt das zunächst mal so, als wäre fast alles bezahlt. Dass das ziemlich relativ ist, zeigt die Tatsache, dass man mit den noch ausstehenden Investitionen (realistisch rund 5 Millionen incl. der o.g. Zusatzkosten) an einem anderen, „normalen“ Standort beinahe eine vollständige neue Station bauen könnte (die Baukosten für vergleichbare Stationen in anderen Städten lagen vor einigen Jahren bei durchschnittlich 4,8 Mio Euro und dürften mittlerweile bei ca. 6 Millionen liegen). Dafür bekäme man an diesem anderen, „normalen“ Standort aber eine standfeste, in ihrer Entstehungsgeschichte ebenso wie in ihrer Statik und der Zusammensetzung ihres Baugrunds „unbelastete“ Hubschrauberbasisstation, auf die sich Rettungsmannschaften, Piloten und Bevölkerung dauerhaft und mit einem guten Gefühl verlassen könnten und von der nicht zuletzt auch nachts gestartet werden dürfte (der Genehmigungsbescheid für die HBS auf dem Kalkberg enthält keine Nachtfluggenehmigung. Nachtflüge sind mittlerweile aber Stand der Technik. Die nachträgliche Erteilung einer solchen Genehmigung für den Kalkberg ist höchst unwahrscheinlich angesichts der dichten Wohnbebauung im Umfeld).
Hoffnungszeichen für die politische Kultur in Köln
Die Entstehungsgeschichte der HBS auf dem Kalkberg ist ein Musterbeispiel für das Versagen von politischer Kontrolle. Auch wenn (noch) nicht bis ins Detail geklärt ist, wer hier mit wem zu welchem Zeitpunkt geklüngelt hat, so liegt doch auf der Hand, dass geschäftstüchtige Privatgesellschaften, eine selbstherrliche Feuerwehrleitung und eine mindestens willfährige Stadtverwaltung im Verbund in der Lage waren, die politischen Gremien dermaßen zu manipulieren, dass diese, trotz eindeutiger Warnsignale, alle diesbezüglichen Beschlussvorlagen durchwinkten. Erst, als das Desaster nicht mehr zu übersehen war, wurden die Nachfragen dringlicher. Dass von diesem Moment bis zur nun hoffentlich vollzogenen endgültigen Abkehr von dem Projekt nochmals so viele Jahre vergingen, lag nicht zuletzt daran, dass diejenigen, denen man zu misstrauen begann, zugleich stets diejenigen waren, die man Kraft ihres Amtes mit der Lösung des Problems betrauen musste. Die Aussage des Ratsmitglieds Michael Paetzold (im oben verlinkten Lokalzeit-Beitrag), man habe schon so oft versprochen bekommen, dass nun „alles gut werde“, beschreibt das in dieser Zeit gewachsene Misstrauen sehr anschaulich.
Im nun endlich vorhandenen Mut des Rates, sich über die Empfehlungen des jüngsten (abermals gegen die Transparenzforderungen des Rates entstandenen) Gutachtens hinwegzusetzen, sehen wir deshalb ein Zeichen der Hoffnung für die politische Kultur dieser Stadt. Dies auch deshalb, weil das Studium des eigentlichen, 102 Seiten starken Gutachtens, offenbart, dass die vorangestellte Empfehlung des Gutachters, die HBS auf dem Kalkberg beizubehalten, beileibe nicht den einzigen möglichen Schluss aus den nachfolgenden Fakten darstellt (diese Erfahrung haben wir in den vergangenen Jahren übrigens immer wieder gemacht: Es lohnt sich, Gutachten von A bis Z durchzulesen, wenn man sich selber ein Bild machen will. Die sogenannten Empfehlungen sind häufig genau jener Teil des Werks, in dem der Gutachter am ehesten die Möglichkeit hat, seinem Auftraggeber entgegen zu kommen, ohne falsche Fakten behaupten zu müssen…).
Zumal im Lichte des vom Rat bereits vor über einem Jahr erklärten Wunsches, vom Standort Kalkberg weg zu kommen, lässt das Gutachten genau jene Handlungsanweisung als naheliegend erscheinen, die er (der Rat) am 9. Juli wohl verabschieden wird: Die Aufforderung an die Stadtverwaltung, einen der geprüften Standorte (den Köln/Bonner Flughafen) bis zur Genehmigungsreife zu bringen, Gespräche mit der Flughafenführung aufzunehmen und die absehbaren, aber alles andere als unüberwindbar beschriebenen juristischen Hürden zu nehmen!
Dass vermutlich teilweise die gleichen Leute für die Stadt Köln im Aufsichtsrat des Flughafens sitzen, die wiederum um jeden Preis am Standort Kalkberg festhalten wollen, lässt erahnen, dass die Ratsmitglieder noch einen langen Atem brauchen werden, um sich durchzusetzen. Um sicher zu gehen, dass der Skandalhügel ihnen nach „bedauerlicherweise gescheiterten“ Gesprächen mit dem Airport nicht doch wieder als „alternativlos“ präsentiert wird, empfehlen wir dringend, auch die Aufgabe des Standorts Kalkberg bei der kommenden Ratssitzung ohne wenn und aber zu beschließen.
Mit besten Grüßen